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Eisenbahnen in Sachsen


Industriebahn Dresden-Albertstadt
Streckengeschichte

Anfang März 1873 schuf die sächsische Ständeversammlung mit der Billigung der vom Kriegsministerium eingereichten Pläne die Grundlage für den Aufbau der Dresdner Albertstadt als Kasernenanlage. Im Norden der Residenzstadt, am Rand der Dresdner Heide, entstand bis 1879 für über 20 Mio. Mark eine 360 ha große Militäranlage. Den Mittelpunkt bildete das am 01.05.1877 eröffnete Arsenal, gelegen zwischen Prießnitzgrund und Königsbrücker Straße. Im Norden des Geländes richtete man ein "Pulverlaboratorium" und Sprengstoffmagazine ein. Im Jahr 1889 entstand eine Geschossfabrik.
Die Lage an der Eisenbahnstrecke Görlitz - Dresden erwies sich als optimal zur Herstellung eines normalspurigen Gleisanschlusses. Am 11.11.1897 entstand der Kostenanschlag für den Bau der sogenannten "Zeugmeistereibahn". Die Genehmigung zur Ausführung erteilte das Kriegsministerium am 20.07.1900. Baubeginn der vom Civilingenieur Pöge projektierten Anschlussbahn war im Oktober des Jahres. Den Oberbau verlegte das Leipziger Unternehmen Zintzsch. Die Abnahme der Hauptstrecke fand am 31.08.1901 statt, die Betriebseröffnung einen knappen Monat später am 24. September. Errichtet wurden u.a. eine Drehscheibe durch die Fa. Kelle & Hildebrandt und ein Lokschuppen (2 600 M), der eine 14 800 M teure feuerlose Lokomotive der Maschinenfabrik Hohenzollern beherbergte. Eine Übergabestelle im Norden des Geländes stellte den Anschluss zur Staatsbahn her.
Der Bahnbetrieb im dicht bebauten Militärgelände erwies sich als nicht unproblematisch, wie ein Schreiben vom 01.11.1901 belegt: »Die Verbindungsstraße vom Arsenalhof nach dem Magazingelände ist in ihrer ganzen Ausdehnung fertig gestellt und kann von morgen Vormittag ab benutzt werden. Bezüglich des Verkehrs mit Eisenbahnwagen auf der Rampe wird Folgendes bestimmt: Bevor ein Eisenbahn-Transport die Rampe herabfährt, hat sich der Schirrmeister davon zu überzeugen, dass die Strasse von Fuhrwerken frei ist. Auch hat derselbe dafür zu sorgen, dass zur selben Zeit kein Fuhrwerk die Rampe befährt. Sollte sich ein Fuhrwerk auf der Rampe befinden, so hat dieses den Vorrang und die Eisenbahn wartet so lange, bis dasselbe die Rampe passirt hat.«
Die am 13.08.1901 genehmigte Streckenverlängerung zum Artilleriedepot konnte am letzten Tag des Jahres 1901 eröffnet werden. Die Zeugmeistereibahn hatte damit eine Länge (ohne Anschlussgleise) von 1,598 km erreicht. Ein Schreiben vom 10.05.1902 vermeldet: »Heute Nachmittag von 2 Uhr bis 4 ½ Uhr wurde von Herrn Baurat Hartmann von der Kgl. Eisenbahn-Betriebsdirektion Dresden-Neustadt als Vertreter der Kgl. General-Direktion der Staats-Eisenbahnen die Zeugmeistereibahn einer Besichtigung unterzogen und dabei in betriebssicherem und gut erhaltenen Zustande vorgefunden. [...]«

Am 15.11.1901 erging die Baugenehmigung für das Elektrizitäts- und Heizwerk, das im Oktober 1902 seinen Betrieb aufnahm. Es erhielt ein eigenes Zweiggleis für die Kohleanlieferung.
Im Juni 1903 wurde die Überführung der Fabricestraße angelegt. In diesem Zusammenhang musste die Zeugmeistereibahn durch ein Ladegleis für die Sandgewinnung gekreuzt werden. Im Oktober 1906 gingen Gleise zum Holzlagerplatz und in den Hof der Artilleriewerkstatt in Betrieb, die die Fa. F. W. Philipp errichtet hatte. Anfang 1908 beantragte man die Anlage eines Ladegleises an der Königsbrücker Straße, über das Material für die Verlängerung der Straßenbahnlinie angeliefert werden sollte. Im gleichen Jahr entstand am km 99,890 GD ein Unterkunftsgebäude für das Bahnpersonal - das spätere Stellwerk A des Industriebahnhofs.
Ab September 1911 wurde die Zeugmeistereibahn verlegt und ausgebaut. Die neue Strecke konnte am 21. Dezember des Jahres abgenommen werden. Wahrscheinlich aufgrund des mehrgleisigen Ausbaus des Streckenabschnittes Dresden-Klotzsche - Dresden-Neustadt wurden Anfang Juli 1914 die Anschlüsse zum Proviantamt und der Zeugmeistereibahn verändert. In einer Rekordbauzeit von elf Tagen legte man das Gleis tiefer. Ebenfalls 1914 wurde eine zweite Lokomotive beschafft.
Die wachsende Nachfrage nach Rüstungserzeugnissen führte ab 1915 zum Bau einer neuen Munitionsfabrik für 800 000 Mark am Nordende des Geländes. Im gleichen Jahr wurde ein repräsentatives Verwaltungsgebäude an der Königsbrücker Straße fertiggestellt und die Übergabestelle auf drei Gleise erweitert.
Am 28.12.1916 kam es im Pulvermagazin 23 zu einer schweren Explosion, bei der fünf Arbeiter den Tod fanden und in deren Folge über 20 Gebäude zerstört wurden. Erst nach zwei Tagen war das Feuer unter Kontrolle und hatte bis dahin Schäden in Höhe von 25 Mio. Mark verursacht.
Am 03.01.1917 wurde für die Beschäftigten von Artilleriewerkstätten und Munitionsfabrik der Haltepunkt Dresden Arsenal an der Hauptbahn eingerichtet. Er diente ausschließlich dem Werksverkehr und wurde wahrscheinlich zu Kriegsende wieder eingezogen. Erst 1969 legte man in der Nähe den Haltepunkt Dresden-Industriegelände an, der über eine Fußgängerbrücke Zugang zur Königsbrücker Straße erhielt.
Als letzte Erweiterungsbauten entstanden bis Ende 1917 etwa 30 neue Pulverhäuser direkt oberhalb des Prießnitzgrundes. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Munitionsfabrik am 27.12.1919 geschlossen.

Anfang der zwanziger Jahre wurden im Zuge der Entmilitarisierung zahlreiche bauliche Anlagen abgerissen, darunter auch nicht mehr benötigte Anschlussgleise zu den Pulvermagazinen. Ein Großteil der Gebäude konnte aber unter Aufsicht der 1922 gegründeten "Industriegelände-Gesellschaft Dresden-Albertstadt m.b.H." einer zivilen Nutzung zugeführt werden. Im Industriegelände, wie das Areal fortan genannt wurde, siedelten sich namhafte Firmen an, so die Sächsische Maschinenfabrik aus Chemnitz, die Ernemann-Werke A.G., die Radiofabrik Mende & Co. und das Bauunternehmen Wayss & Freytag A.G.
Am 01.04.1935 kam es zur Wiedereingliederung in die Heeresstandortverwaltung Dresden als "Heeresbetriebsstelle Albertstadt". Das breite Spektrum an Unternehmen, die im Industriegelände produzierten, blieb davon unbeeinflusst, obgleich sich einige Firmen in den 1940er Jahren zum Rüstungsbetrieb wandelten. Ab 1941 unterstand das gesamte Areal wieder den Militärbehörden.
Am 01.07.1945 wurde die Albertstadt nach Dresden eingemeindet, die Firmen enteignet und viele der technischen Einrichtungen der Industriebetriebe durch die sowjetischen Besatzer demontiert. Zum Jahresbeginn 1953 hob man die Eigenständigkeit des Industriegeländes auf, wobei die Gleisanlagen dem VEB Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden zufielen.
Bis zur Abgabe der Industriebahn an die Deutsche Reichsbahn am 01.10.1992 wurden die Strecke mehr oder weniger intensiv genutzt. Die Verkehrsbetriebe unterhielten drei eigene Dieselloks, einen SKL sowie zahlreiche Güter- und Spezialwagen und bedienten damit auch die Nebenanschließer. Neben insgesamt 15 km Gleis (davon 8 km im Eigentum der Verkehrsbetriebe) waren 61 Weichen, sieben DKW und fünf Kreuzungen vorhanden.
Der Lokschuppen II verschwand im Januar 1997. Im Oktober 2004 wurde der letzte Güterwagen zugestellt und zum Jahresende die Stilllegung verfügt.

Der Dresdner Frank Bradatsch erinnert sich an die Jahre 1987-89, in denen er als Ladeaufsicht für die DR tätig war:
»Die Industriebahn (kurz "I-Bahn" genannt) war militärischen Ursprungs und hieß einst "Feldzeugmeistereibahn". Deshalb hatten die eingehenden Wagen die Kreideanschrift "Fzb", die Wagen für den Bereich Heeresbäckerei jedoch "Hof B" oder "Po 78" nach dem ehemaligen Schrankenposten der früher ebenerdig kreuzenden Proschhübelstraße.
Unsere "I-Bahn" lag damals in Eigentum und Betrieb der Dresdner Verkehrsbetriebe. Wir Reichsbahner waren für den Verkehrsdienst, d.h. die Kundenbetreuung und die Leerwagenabfertigung zuständig und waren dem Gbf Dresden-Neustadt unterstellt.
Unser Büro befand sich in einem ca. 2 × 1,5 m großen Dienstgebäude. Dieses lag im Gleisdreieck neben dem Lokschuppen und war ein weißgekalkter Ziegelbau mit schwarzem Pappdach und einem grauen Windfang aus Holz. Das Gebäude riss man um 1992 ab.
Die I-Bahn wurde drei mal täglich - auch sonntags - bedient. Die Verkehrsbetriebe bedienten die Anschließer oben [Anm.: im Industriegelände] mit eigenen Loks, die im Bereich Heeresbäckerei (Po 78) mit DR-Übergaben. Bei starkem Wagenaufkommen wurden die oberen Anschlüsse fortlaufend bedient ("Wir fahren mal bei ... gucken, ob die schon fertig sind ..." oder "Wollen wir Buchwitz-Rampe auswechseln ...?"). Wir betreuten damals 26 Anschließer an insgesamt 30 Ladestellen.
Die Übergaben bespannte das Bw Dresden mit der BR 112 (heute 202), ersatzweise mit der 119 (heute 219), aber nur die mit 15 t Achslast. Ganz selten, eigentlich nur einmal, kam eine 120 (heute 220) zum Einsatz. Die Verkehrsbetriebe setzen ihrerseits zwei V 60 (Nr. 01 und 02, ex EKO Eisenhüttenstadt) und eine V 18 (Nr. 03) als Rangierloks ein. Früher sollen die Übergaben von der 94er und die Rangiereinheiten von Dampfspeicherloks befördert worden sein.
Die Übergabezüge kamen ganz selten pünktlich; ganz nach betrieblichen Erfordernissen kamen sie mal verfrüht, mal verspätet oder fielen - bei Wagenmangel - ganz aus! Besonders schlimm war der Schotterpendel 70305. Er hatte immer 30 Minuten, oft sogar 2 Stunden (!) Verspätung. Normalerweise kam er mit einer Kamenzer 118 von Oßling. Ab Dresden-Neustadt Gbf blieb diese als Schiebelok am Zug, es wurde lediglich eine 120 (die Klotzscher Schiebelok) vorgesetzt. Hatte der Zug aber eine zweistündige Verspätung, kam er in die Fahrplantrasse der planmäßigen Übergabe 70307. In diesem Fall legte man beide Züge zusammen und fuhr diese vereint zu uns. Vorn röhrte eine 112 aus vollem Hals und hinten dröhnte die 118 - ein Bild- und Klangerlebnis, das ich nie vergessen werde ...
Die Anschlussbedienungen erfolgten stets als geschobene Rangierfahrten - mit einer Ausnahme: der Anschluss Heizkraftwerk Nord war als Kombination von Spitzkehre und Niveaukreuzung ausgelegt. Die Lok setzte vorn an die Rangierabteilung, zog dann die Fuhre in die Spitzkehre und drückte anschließend die Wagen an die Kohlerampe.
Haupttransportgüter waren damals im Empfang Rohbraunkohle und Bitumen, im Versand Starkstromzellen.
«

Ein Großteil der historischen Bausubstanz des Areals ist heute noch erhalten, da das Gelände im Zweiten Weltkrieg nahezu unversehrt blieb. Einige Bauten stammen aus der Nachkriegszeit. Die ehemalige "Elektrische Zentrale" wird als Heizkraftwerk Nord vom Dresdner Energieversorger DREWAG betrieben und befindet sich seit dem Abschluss ihrer Modernisierung 1996 in einem optisch hervorragenden Zustand. Das Verwaltungsgebäude ist gleichfalls ein Schmuckstück. Die handbediente 5,5-m-Drehscheibe vor dem anfangs vierständigen Ringlokschuppen des Industriebahnhofs wurde zwischenzeitlich ausgebaut und verfüllt.
Die nördlichen Ausläufer der Gleisanlagen wurden bis zum Rückbau im Juni 2005 von einer Metall-Recyclingfirma genutzt. Im Zuge des Straßenausbaus im Industriegelände wurde um 2000 sogar ein Gleisabschnitt saniert. Gleisreste, darunter auch solche der 700-mm-spurigen Transportbahn, lassen sich bis zum Streckenende im Gelände des früheren Arsenals nachweisen - heute das Militärhistorische Museum der Bundeswehr.
Im Oktober 2021 begann der Gleisrückbau am Übergabebahnhof. Der Gebäudekomplex der früheren Schmiede wurde am 24.06.2022 durch einen Großbrand zerstört. [1],[2],[3],[4],[5]

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Quellen

[1] Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden: Bestand 11270 Feldzeugmeisterei, Signaturen 436, 1632-1635, 1637, 1639, 3983-3985
[2] Starke: "Vom Werkstättenareal zum Industriegelände" in "Dresdner Geschichtsbuch 5", Dresden 1999
[3] Dresdner Verkehrsbetriebe AG: "Von Kutschern und Kondukteuren", Junius Verlag, Dresden 1997
[4] Informationen von F. Bradatsch
[5] www.dresdner-stadtteile.de