Werkbahn Talsperrenbau Klingenberg
Streckengeschichte
Nach einem verheerenden Hochwasser im Jahr 1897 im Osterzgebirge gewann der Schutz vor weiteren Naturkatastrophen dieses Ausmaßes an Bedeutung. Mit der Anlage von Talsperren in den Weißeritztälern würde man außerdem die Trink- und Brauchwasserversorgung der Großstadt Dresden sicherstellen und könnte die Wasserkraft zur Energieerzeugung nutzen. Im April 1901 entstand ein Gutachten, das die Anlage von sieben Sperrbauwerken vorschlug. Eines davon war die Talsperre bei Klingenberg, in einem kaum besiedelten Talabschnitt der Wilden Weißeritz gelegen. Im Oktober 1907 wurde in Klingenberg ein Talsperrenbauamt eingerichtet, zu dessen Vorstand man Baurat Creß von der Königlichen Wasserbaudirektion berief. Zur Gestaltung der Sperrmauer fand ein öffentlicher Wettbewerb statt. Als Sieger gingen der Breslauer Architekturprofessor Hans Poelzig (1869 - 1936) und Regierungs-Baumeister Ferchland aus Dresden hervor. Deren Arbeit wurde gelobt als »künstlerisch unter allen Entwürfen hervorragend, weil er ein großzügiges, eigenartiges, den Widerstand gegen die elementare Kraft des Wassers kennzeichnendes Motiv aus der Gestaltung der Mauer selbst entwickelt, ohne dazu eines als eigenes kleines Bauwerk sich absondernden Aufbaues zu benötigen. Das Motiv paßt sich dem am Orte gefundenen Baumaterial ausgezeichnet an.« Für die Anlage der Talsperre war der Ankauf von 115 ha Land erforderlich. Der Bau des Umlaufstollens durch die Dresdner Fa. Seim & Riedel begann am 28.11.1908. Am 25.05.1909 ereignete sich das schwerste Unglück der Bauzeit: Beim teilweisen Einsturz des Schieberschachtes starb ein Arbeiter. Insgesamt waren fast 5000 Arbeiter aus ganz Europa beim Bau tätig. In Vorbereitung des Baus der Sperrmauer entstand die "Sächsische Tiefbaugesellschaft m.b.H." mit Sitz in Dresden. Als Gesellschafter waren folgende Unternehmen beteiligt:
Albin Hayn, Dresden
Emil Jacob, Niedersedlitz
F. A. Müller & Solbrig, Chemnitz
O. Neumeister & Sohn, Meißen
Robert Berndt Söhne, Dresden
Seim & Riedel, Dresden Die Errichtung der Sperrmauer begann am 24.10.1910. Im Dezember des Jahres schloss man einen Steinbruch am Westhang des Weißeritztales auf. Zum Abtransport des Materials trafen im gleichen Monat zwei Feldbahnlokomotiven ein. Ab März 1911 wurde das Planum für eine regelspurige Werkbahn zur Baustelle, ausgehend vom Bahnhof Klingenberg-Colmnitz an der Strecke Dresden - Werdau, geschaffen. Im Staatsbahnhof musste die Böschung südlich der Schmalspurgleise abgetragen werden, um Platz für ein regelspuriges Anschlussgleis zu schaffen. Bis Monatsende waren etwa 500 m Planum im Wald oberhalb der Baustelle fertiggestellt. Die Topografie des Geländes erforderte umfangreiche Damm- und Einschnittsarbeiten, so z.B. an Station 32+60 durch den Schafberg. Die Baukosten werden später mit ca. 140 000 Mark angegeben. Anfang Mai 1911 begann der Bau einer Brücke über den Langen Grund bei Neuklingenberg. Das filigrane hölzerne Bauwerk errichteten bayerische Zimmerleute in kurzer Zeit. Am 26.05.1911 konnte der Anschluss im Bahnhof Klingenberg-Colmnitz abgenommen werden, am 20. Juni war das Brückenbauwerk vollendet. Drei Tage später fand die Belastungsprobe statt. Zu Beginn des Folgemonats schotterte man das ausgelegte Gleis ein und nach der Streckenprüfung am 22.07.1911 ging die Werkbahn in Betrieb. In flachen Staatsbahn-Güterwagen transportierte man u.a. Kalk und Sand für die Mörtelherstellung zum Baugelände. Die Entladestelle an der Talsperre wies mehrere Gleise auf, die auch zum Umsetzen der Zuglok dienten. Zum Einsatz kam eine Bn2t-Lokomotive (Borsig 7448/1911), die das Bauunternehmen am 20. Mai des Jahres neu erworben hatte.
Die feierliche Grundsteinlegung zur Errichtung der Sperrmauer fand am 14.10.1911 statt. Der Ortspfarrer von Klingenberg sagte in seiner Weiherede u.a.: »Das Sausen der geschäftigen Welt ist fast über Nacht in diese Stille eingedrungen, und erschrocken horchen die alten Waldbäume. Die Luft erzittert von dem Keuchen der Lokomotiven, dem Rasseln und Stoßen der Bagger, dem Sausen und Pfeifen der Maschinen. Die Erde erbebt unter den Sprengschüssen, und Kommandorufe und Befehle fliegen herüber und hinüber. So zieht die Kultur siegreich durch die Lande. [...]« In den Folgejahren entstand eine 310,0 m lange, 33,5 m hohe und 6,2 m breite Sperrmauer aus Bruchsteinmauerwerk. Verwendet wurde grauer Gneis; auf der Wasserseite erhielt die Mauer einen 70 cm starken Schutzmantel aus Beton. Oberhalb des im Oktober 1911 fertiggestellten Beamtenwohnhauses lag der Werkbahnhof, von wo aus man die Materialien über einen Bremsberg ins Weißeritztal beförderte. Für Transporte vom Steinbruch und innerhalb des Baugeländes bestand eine 750-mm-spurige Feldbahn. Auf dieser kamen u.a. fabrikneue Lokomotiven von Orenstein & Koppel zum Einsatz. Ab dem 24.12.1913 um 11.00 Uhr wurde das Wasser der Wilden Weißeritz angestaut. Mit dem nahenden Abschluss der Bauarbeiten wurde der Betrieb auf der Werkbahn am 23.06.1914 eingestellt und das Gleis bis auf ein Reststück, das man später zur Anlage einer Holzverladerampe nutzte, im Anschlussbahnhof abgebaut. Den Schlussstein der "König Friedrich-August-Talsperre" setzte man am 06.07.1914. Die Werkbahntrasse bei Neuklingenberg mit ihrer eindrucksvollen Brücke blieb erhalten und diente ab Juli 1924 der Anlage eines Forstweges. In diesem Zusammenhang ersetzte man die Holzkonstruktion durch ein nicht minder spektakuläres Tragwerk aus Stahlbeton, bezeichnet als "Streichholzbrücke". Die Sächsische Tiefbaugesellschaft, die im Herbst 1916 ihren Unternehmenssitz nach Niederlößnitz bei Radebeul verlegte, erlosch laut einem Eintrag im Handelsregister der Stadt am 18.02.1919. Die Firmenakten wurden leider nicht archiviert. Die landwirtschaftliche Nutzung und spätere Bebauung haben fast alle Spuren der Werkbahntrasse verwischt. [1],[2],[3],[4],[5],[6],[7],[8]
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Quellen
[1] Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden: Bestand 10951 Talsperrenbauamt Klingenberg, Bautagebücher
[2] Gemeindeverwaltung Klingenberg: "200 Jahre Neuklingenberg", Klingenberg 1998
[3] Landestalsperrenverwaltung: "Talsperren in Sachsen", Dresden 1992
[4] Sorger: "Von den Weißeritztalsperren und von dem Bau der Talsperre Malter", Dippoldiswalde 1913
[5] "Eisenbahn-Journal Archiv (Sachsenreport)", Band 7
[6] Informationen der Talsperrenmeisterei Gottleuba/Weißeritz, Klingenberg
[7] Informationen von J. Merte
[8] www.grundschule-pretzschendorf.de
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