DHTML Menu By Milonic JavaScript



Eisenbahnen in Sachsen


Klingenberg-Colmnitz — Oberdittmannsdorf
Vorgeschichte

Der Aufbau des mittelsächsischen Schmalspurnetzes war mit Fertigstellung der Strecke Wilsdruff - Gärtitz Ende des Jahres 1911 weitgehend abgeschlossen. Neben der 1913 eröffneten nichtöffentlichen Verbindungsbahn Potschappel - Hainsberg (Strecke PHV) wurde nur noch das Projekt einer Querverbindung zwischen den Strecken Klingenberg-Colmnitz - Frauenstein und Potschappel - Nossen verfolgt. Nach mehreren vergeblichen Eingaben an den Landtag in den vorangegangenen Jahren genehmigte das Königliche Finanzministerium am 20.06.1912 den Bau der Strecke Klingenberg-Colmnitz - Oberdittmannsdorf. In Klingenberg wurde dazu ein Neubauamt eingerichtet.
Bei der Wahl der Streckenführung waren die unterschiedlichen Interessen von Anliegern und Gemeinden zu berücksichtigen, so dass der anfangs anvisierte Eröffnungstermin 01.10.1915 bei weitem nicht realisiert werden konnte. Im Dekret Nr. 18 vom 05.12.1913 heißt es dazu: »Die beteiligten Gemeinden und sonstigen Interessenten haben sich zwar bereit erklärt, die gesamten Kosten für den Grunderwerb zu übernehmen. Die Gemeinde Oberschaar hat jedoch ihre Zustimmung davon abhängig gemacht, daß die auf Anregung der Ständeversammlung in Aussicht genommene westliche Linienführung durch das Dorf Oberschaar zugunsten der ursprünglich geplanten Trasse östlich von Oberschaar aufgegeben wird. Zurzeit sind noch Erörterungen darüber im Gange, welchen Kostenaufwand die geplante Zweiglinie nach Krummenhennersdorf bei Ausführung der östlichen Linienführung verursachen wird. [...] Weiter macht sich eine Änderung der Führung dieser Linie dadurch notwendig, daß noch auf eine künftig zu errichtende Talsperre im Colmnitzbachtale bei Naundorf Rücksicht zu nehmen ist. [...]«
Recht früh war man sich über die künftige Streckenbezeichnung einig. Am 04.06.1913 heißt es: »Für die Neubaulinie Klingenberg-Colmnitz - Oberdittmannsdorf macht sich bereits jetzt die Festsetzung einer Linienbezeichnung nötig. Vorzuschlagen ist die Buchstabenbezeichnung KO.«
Die Geländeuntersuchungen waren im September 1913 abgeschlossen und im Juni 1914 begannen die Vermessungsarbeiten im Bahnhof Klingenberg-Colmnitz. Für den Abschnitt Niederschöna - Oberdittmannsdorf wurde der Kamenzer Geometer Rentsch verpflichtet. Am 23.01.1915 kam ein Vertrag mit der Niedersedlitzer Fa. Emil Jacob zustande, der die Arbeiten von Stat. 40 bis 66+50 beinhaltete. [1],[2],[3]

Bau

Der Streckenbau begann offiziell am 28.01.1915 als Notstandsarbeit auf 2,6 km Länge im Tharandter Wald. Die größte Streckenneigung betrug 1:31, der kleinste Halbmesser 100 m. Einen Einschnitt im Bauablauf gab es im Oktober 1915 als bekannt wurde, dass der Firmeninhaber Emil Jacob an der Westfront gefallen war. Fortan führte Oscar Schelzig das Baugeschäft unter der alten Bezeichnung fort. Fertiggestellt werden konnten noch 1915 die zwei Wildgatterbrücken sowie die aufwändigen Stützmauern und -gewölbe im Tharandter Wald. Am km 5,9 musste ein tiefer Felseinschnitt an der "Diebskammer", einer heute verfüllten Höhle am Talgrund, ausgebrochen werden. Erste Projekte sahen noch einen 18 m langen Tunnel vor. Am 14.09.1916 wurden der Fa. Jacob zusätzlich die Arbeiten zwischen Stat. 66+50 und 72 übertragen. Im gleichen Monat bekam das Unternehmen auf Anfrage 30 Kriegsgefangene für die Bauarbeiten zugeteilt.
Am 16.11.1916 war nach knapp zweimonatiger Bauzeit die gewölbte Betonbrücke am km 6,835 errichtet. Der Erste Weltkrieg führte schließlich Ende November 1916 zur Einstellung aller Arbeiten. Die neuen Verkehrsstellen waren zu diesem Zeitpunkt schon planerisch ausgearbeitet. Im Mai 1918 lagen die Entwürfe für die Stationsgebäude vor; am 01.10.1918 enteignete man ein Wohnhaus am Bahnhof Naundorf. Im Folgejahr wurde der Streckenbau fortgesetzt.
Anfang September 1919 begann die Fa. Jacob mit den Arbeiten am größten Brückenbauwerk der Strecke - dem vierbogigen Viadukt in Naundorf. Material bekam man u.a. aus dem bahneigenen Steinbruch bei Stat. 109 vor Falkenberg. Der Entwurf zur Bogenbrücke stammt vom Februar 1915, nachdem man noch im Dezember 1913 einen 76 m langen Stahlträgerviadukt auf vier Pfeilern favorisierte, der altbrauchbare Überbauten von den Strecken Dresden - Werdau und Hainsberg - Kipsdorf erhalten hätte. Nach Abnahme der Pfeilergründungen wurde im Oktober 1919 am Bogen IV das Lehrgerüst aufgestellt. Im Folgemonat entstand die Granittreppe zum Haltepunkt und im April 1920 folgte die Einschalung des Bogens I. Über den weiteren Bauablauf ist nur bekannt, dass am 17.08.1920 der Bogen IV fertiggestellt war.
Zwischen September 1920 und Januar 1921 ruhten die Streckenarbeiten erneut. In diesem Zeitraum errichtete man die massiven Hochbauten, darunter drei Bahnwärterhäuser. Die Aufträge dazu wurden an verschiedene, meist ortsansässige Firmen vergeben:
     Fa. Borsdorf, Haida:            EG Falkenberg, EG Niederschöna
     Fa. Clausnitzer, Niederschöna:  EG Naundorf Hp
     Fa. Göpfert, Freiberg:          EG Colmnitz
     Fa. Haschke, Colmnitz:          EG Niedercolmnitz
     Fa. Lange, Naundorf:            EG Naundorf, Whs Colmnitz, Whs Niederschöna
     Fa. Zein, Hetzdorf:             EG Oberschaar
Die Kosten der baugleichen Stationsgebäude lagen bei etwa 15 000 Mark. Der markante Wasserturm in Niederschöna entstand erst 1921/22. Sein 26 m³ fassender Behälter wurde aus dem Niederschönaer Wasser (heute Rodelandbach) befüllt und speiste einen Wasserkran.
Am 24.02.1921 heißt es in einem Schreiben des Neubauamtes Klingenberg: »Für die Teil-Inbetriebnahme der KO-Neubaulinie bis Pfahl 79+0 KO einschl. der behelfsmäßigen Einführung der Neubaulinie in den Bf. Klingenberg-Colmnitz [...] fehlen z. Zt. noch 1500 Stück Querschwellen. [...]«
Im Mai 1921 wurde im Tharandter Wald ein Zweiggleis zu einem Schotter-Lagerplatz angelegt und die fehlenden Schwellen konnten bis zur Abnahmefahrt am 27.09.1921 noch beschafft und eingebaut werden.
Nach Eröffnung der ersten Teilstrecke gestaltete sich der Bauablauf zunehmend schwieriger. Am 08.06.1922 begann die Fa. Jacob mit dem Streckenbau zwischen Stat. 79 und 110+92. Das Sebnitzer Unternehmen Bruno Kost baute weiter bis Stat. 143. Im Herbst des Jahres war nach der Fertigstellung des Naundorfer Viaduktes endlich Niederschöna erreichbar. Die Abnahmefahrt war für den 25.10.1922 anberaumt: »Die Teilstrecke zwischen Pf. 79+0 und 143+0 KO soll mit dem Inkrafttreten des diesjährigen Winterfahrplans in Betrieb genommen werden, wobei der Bf. Niederschöna als zwischenzeitlicher End-Bf. dient. Die Lokomotiven brauchen auf Bf. Niederschöna nicht gedreht zu werden, da sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückfahrt der Schornstein der höher gelegenen Station Klingenberg-C. zu gerichtet steht. [...]«
Die Vollendung der Strecke durch die Fa. Kost fand bis zum November 1923 unter den Auswirkungen der Inflation statt: Baumaterial wurde von den Lagerplätzen gestohlen und die Baukosten erhöhten sich bis 1924 auf insgesamt 1,067 Billionen Mark! Der allgemeine Sparzwang der Reichsbahn geht aus folgenden Schreiben hervor: »Für Bf. Oberschaar an der KO-Neubaulinie ist ein hölzerner Güterschuppen von 7,80 · 2,50 m Nutzfläche vorgesehen. Es soll erörtert werden, ob der Bau eines hölzernen Güterschuppens oder die Aufstellung eines abgerüsteten Güterwagens billiger wird. [...]«
Die Antwort vom 13.04.1923 lautet: »Für Bf. Oberschaar wird die Aufstellung eines alten Güterwagenkastens als Güterschuppen für ausreichend angesehen. Die Rücksicht auf sparsames Bauen geht derjenigen auf einheitliche Ausführungsweise vor. [...]«
Dass auch die Beschaffung des Wagenkastens enorme Probleme bereitete, ist ein anderes Kapitel ...
Am 24.10.1923 fand letztlich die Prüfungsfahrt zwischen Niederschöna und Oberdittmannsdorf statt. [1],[2],[3]

Betrieb und Stilllegung

Am 30.09.1921 konnte der Zugverkehr zwischen Klingenberg-Colmnitz und Naundorf feierlich eröffnet werden. Um 13.30 Uhr verließ ein mit 200 Gästen besetzter Festzug den Anschlussbahnhof und traf 46 Minuten später in Naundorf ein. Die Mitfahrt war unentgeltlich möglich. Von den Eröffnungsfeierlichkeiten existieren auch einige Fotos. Einen Tag später begann der Regelbetrieb, zu dem ein interessantes Schreiben vom 14.06.1921 existiert: »Vom 1. Oktober 1921 wird der überzählige Bahnwärter Heinrich Otto Liebscher vom Posten DW 12a (ohne Dienstwohnung) nach dem Posten KO 1 unter Belassung seiner jetzigen Privatwohnung in Colmnitz versetzt. Die zum Posten KO 1 gehörige Dienstwohnung auf Bf Niedercolmnitz soll L. zugewiesen werden, sobald sie der jetzige Inhaber, ein Beamter des Nba Klingenberg, räumt.«
Ohne großes Aufsehen verliefen dagegen die Inbetriebnahmen der weiteren Teilstrecken: am 01.11.1922 bis Niederschöna (Eröffnungszug 4943) und genau ein Jahr später das letzte Stück bis Oberdittmannsdorf (Eröffnungszug 4941). Die Bahn kreuzte 73 unbewachte Straßen- und Wegübergänge. Die wenigen täglichen Zugpaare begannen bzw. endeten ab 1932 im Bahnhof Mohorn, der zu diesem Zweck erweitert worden war. Zum Bau einer Lokstation in Oberdittmannsdorf kam es nicht, ebenso gab es nie einen durchgehenden Betrieb bis Frauenstein. Mit der Fertigstellung der KO-Linie bot sich für vierzig Jahre die interessante Möglichkeit, per Schmalspurbahn von Frauenstein im Osterzgebirge bis nach Neichen vor den Toren Leipzigs reisen zu können. In der Praxis dürfte angesichts einer 142 km langen mehrtägigen und unbequemen Fahrt wohl niemand davon Gebrauch gemacht haben.
Am 26.11.1931 ereignete sich der schwerste Unfall in der Geschichte der Strecke, als infolge Bremsversagen der Ng 11301 vor Oberdittmannsdorf entgleiste. Das Lokpersonal der 99 647, Lokführer Metz und Heizer Schild, wurde durch ausströmenden Dampf getötet, der Schaffner verletzt. Zu einem weiteren folgenschweren Unfall kam es am 05.11.1938, als 99 654 mit einem Güterzug vor Falkenberg entgleiste, die Böschung hinunterstürzte und sich dabei mehrfach überschlug. Der Heizer Lucius musste mit Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert werden, Lokführer Kühne erlitt nur leichte Prellungen.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs, den die Strecke ohne Schäden überstand, ruhte für einige Wochen der Zugbetrieb. Ab Juni verkehrte ein, ab dem 12.07.1945 zwei werktägliche Zugpaare.
Nach der Schließung einzelner Gütertarifbahnhöfe zum 01.01.1969 wurde der Güterverkehr offiziell am 01.06.1971 eingestellt. Der sich stetig verschlechternde Zustand des Oberbaus und der Hochbauten veranlasste die Deutsche Reichsbahn dazu, am 25.09.1971 den letzten planmäßigen Zug auf die KO-Linie zu schicken. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit betrug zuletzt unzumutbare 9,5 km/h.
Um 15.54 Uhr verließ der P 1786 mit 99 706 den Bahnhof Mohorn. Zahlreiche Schaulustige und Fotografen warteten entlang der Strecke. Gegen zehn nach sechs traf der völlig überfüllte, aus vier Personen- und einem Gepäckwagen bestehende Zug, in Klingenberg-Colmnitz ein. Im Gasthof "Kukuck" in Niedercolmnitz - dort, wo am 05.12.1917 schon die Enteignungsverhandlungen zum Bahnbau stattfanden - gedachten viele dem Ende der Schmalspurbahnzeit. Kurz darauf kam auch das unerwartete Aus für die Frauensteiner Strecke. Klingenberg-Colmnitz hatte seine Schmalspurbahn für immer verloren.
Die KO-Linie diente noch kurze Zeit bahninternen Überführungsfahrten. Der Rückbau des Streckengleises durch das Freitaler Edelstahlwerk wurde erst 1978 im Tharandter Wald abgeschlossen.
Die Trasse der Schmalspurbahn wurde nach 1990 in einigen Abschnitten als Wander- und Radweg ausgebaut. Am 11.09.1993 eröffnete die Gemeinde Oberschaar auf dem früheren Bahnhofsgelände den "Treffpunkt Alter Bahnhof" mit Spielplatz und Jugendclub. Dem Ausbau der Strecke Dresden - Werdau fielen im Bahnhof Klingenberg-Colmnitz fast alle Zeugnisse der Schmalspurbahn zum Opfer. Im Herbst 1999 waren noch folgende Hektometersteine vorhanden: 28, 29, 44, 47, 58, 64, 69, 73, 75, 82, 84, 85, 88, 89, 121, 144, 146 und 162. [2],[3],[4],[5],[6]

Mediathek
Quellen

[1] Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden: Bestand 11228 Deutsche Reichsbahn, Rbd Dresden, Signaturen 1844, 1850, 1852, 1855, 1863, 32531, 32533, 32535, 32548, 33162, 33202, 33321-33330
[2] Wunderwald: "Das Wilsdruffer Schmalspurbahnnetz", Wilsdruff 1995
[3] Kenning: "Schmalspurbahnen um Mügeln und Wilsdruff", Verlag Kenning, Nordhorn 2000
[4] Kenning: "Das Schmalspurnetz Wilsdruff", Verlag Kenning, Nordhorn 1995
[5] Schlegel: "Eisenbahnunfälle in Sachsen", Ritzau KG, Pürgen 2002
[6] Berg: "Funkenflug", Freiberg 2001
[8] Wunderwald: "Klingenberg-Colmnitz - Oberdittmannsdorf" aus "Neben- und Schmalspurbahnen in Deutschland", Sammelwerk GeraNova-Verlag