Waldheim — Kriebethal
Vorgeschichte und Bau
Im unteren Zschopautal siedelten sich im 19. Jahrhundert zahlreiche Fabriken an, die die Wasserkraft des Flusses nutzten. Die bestehenden Eisenbahnstrecken verliefen aber weit oberhalb des Talgrundes, so dass beschwerliche und teure Transporte auf der Straße erforderlich waren. Um 1880 entstand das Projekt einer 45,9 Kilometer langen schmalspurigen Zschopautalbahn. Sie sollte mit einer größten Steigung von 1:80 und einem kleinsten Radius von 75 m von Niederwiesa über Frankenberg, Mittweida und Waldheim nach Döbeln führen. Bei Niederwiesa und Schweta wäre die Hauptbahn als Dreischienengleis über 5,6 bzw. 2,2 km mit genutzt worden und bei Schönborn und Ringethal hätten zwei 200 bzw. 290 m lange Tunnel durch Felsvorsprünge getrieben werden müssen. Zwei Ersuchen des "Comité für die Zschopautalbahn" an den Sächsischen Landtag vom 07.11.1887 und 03.12.1895 scheiterten jedoch. Die seit 1856 in Kriebstein, später auch in Kriebethal und Kriebenau, ansässige Papierfabrik Kübler & Niethammer war die größte private Papierfabrik Deutschlands und auch der bedeutendste Güterkunde des Bahnhofs Waldheim. Der Warenumschlag betrug 1882 immerhin 21 000 t. Das ständig wachsende Transportvolumen wurde durch zahlreiche Pferdefuhrwerke bewältigt, die ab November 1885 eine neue Güterzufuhrstraße zum Waldheimer Bahnhof nutzen konnten. Doch trotz der Erweiterung des Güterbodens zwischen 1885 und 1896 war der Bahnhof gegen Ende des 19. Jahrhunderts an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Die Hanglage des Geländes stand dem Ausbau der Gleisanlagen entgegen, so dass der Sächsische Landtag am 22.03.1894 einem Vorschlag des Fabrikanten Dr. Albert Niethammer folgte und den Bau einer Zweigbahn nach Kriebethal genehmigte. Bedingung war allerdings, dass sich die Fa. Kübler & Niethammer zu 43 % an den Baukosten beteiligte und das benötigte Land für den Bahnbau zur Verfügung stellte. Die Vorarbeiten und Trassenvermessung fanden zwischen Mai und Dezember 1894 statt. Am 24.09.1895 begann die Fa. Neumeister & Bischof aus Moritzburg mit den Erdarbeiten in Rauschenthal. Lieferung und Montage der eisernen Brückenüberbauten erfolgten durch die Lauchhammer-Werke in Riesa. Der Oberbau wurde ab März 1896 verlegt und am 12. Oktober des Jahres befuhr der erste Bauzug den Viadukt am Lindenhof. Die Straßenbrücke in der Waldheimer Bahnhofseinfahrt wurde um ein Gleis für die mit dem Kürzel WK versehene Strecke erweitert. [2],[3],[5],[6],[7]
Betrieb und Stilllegung
Die Abnahmefahrt mit festlich geschmückter Lokomotive und dem Salonwagen der K.S.St.Eb fand am 10.12.1896 statt. In Kriebethal empfingen Bevölkerung und Gemeindevertreter den Zug, der nach kurzem Aufenthalt weiter nach Kriebstein fuhr. Hier waren die Festteilnehmer zu einem Mittagessen in die Fabrikantenvilla eingeladen. Ein Feuerwerk begleitete am Abend den Zug auf seiner Rückfahrt nach Waldheim. Die offizielle Eröffnung für den Güterverkehr erfolgte fünf Tage später. Im "Waldheimer Anzeiger" hieß es hierzu: »Am 15. Dezember diesen Jahres wird die eingleisige vollspurige Neubaustrecke Waldheim-Kriebethal für den öffentlichen Güterverkehr eröffnet werden. Der Betrieb wird nach Maßgabe der Bahnordnung für die Nebeneisenbahnen Deutschlands erfolgen. Bahnbewachung und -absperrung finden nicht statt. Die Lokomotiven werden mit helltönenden Läutewerken ausgerüstet und die Führer der Lokomotiven angewiesen werden, das Läutewerk bei der Annäherung des Zuges oder der Lokomotiven an den mit Bahnschienen in gleicher Ebene gelegenen unbewachten Übergängen in Thätigkeit zu setzen und bis nach Erreichung des Überganges darin zu halten. Indem wir dies hier öffentlich zur Kenntnis bringen, unterlassen wir nicht, das Publikum noch ganz besonders zur Aufmerksamkeit bei dem Überschreiten sowie Überfahren der in Frage kommenden Übergänge zu veranlassen.« Der erste Zug fuhr um 7 Uhr morgens mit 14 Wagen in Richtung Kriebethal. Der "Statistische Bericht" des Jahres 1897 vermerkt: »Am 2. Mai ward auf der bisher nur dem Güterverkehr dienenden vollspurigen Nebenbahn Waldheim - Kriebethal für die Dauer des Sommerfahrplanes an Sonn- und Festtagen Personen- und Gepäckverkehr eingeführt.« Der recht ansehnliche Personenverkehr bestand immerhin bis 1919. Die Ausflügler ins Zschopautal und zur Burg Kriebstein konnten die Halte in Rauschenthal und Kriebethal nutzen. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen Busse den Transport der potenziellen Fahrgäste. An der Endstation in Kriebethal stand noch Jahrzehnte nach dem Ende der Personenbeförderung die einfache hölzerne Wartehalle (Kosten des Ursprungsbaus 1 289 M, um 1940 nach Brand erneuert), nun genutzt als Buswartehäuschen. Eine erste Erweiterung der Gleisanlagen fand am 11.03.1905 mit der Eröffnung des Anschlusses zum Werksteil Kriebenau statt. Am 01.04.1905 machte man sich Gedanken über die künftige Einordnung der Bahnstationen: »Da in Kriebethal und Rauschenthal nur im Sommer an Sonntagen beschränkter Personenverkehr stattfindet, dürfte kaum ausreichender Grund vorhanden sein, diese Stationen unter die Bahnhöfe aufzunehmen. Der Verkehr und die Verhältnisse verweisen beide Stationen mehr unter die Ladestellen. [...]« In den Jahren 1925/26 ergänzte die Papierfabrik die Ladestelle Rauschenthal um einen Holzlagerplatz. Eine kurzzeitige Abwechslung vom fast ausschließlich auf die Bedürfnisse der Papierfabrik orientierten Güterverkehr brachte der Bau der Talsperre Kriebstein. Zwischen 1927 und 1929 errichtete die Wayß & Freytag A.G. eine 240 m lange und 28 m hohe Staumauer und ein 5 000 kW-Wasserkraftwerk. Zur Anlieferung von Baumaterialien nutzte man ein eigens angelegtes Ladegleis in Kriebethal.

Am 22.04.1945 wurden alle Zschopaubrücken in Kriebethal gesprengt. Die Brücke am km 2,678 war am 28. Juli und die Brücke am km 3,52 am 31. August wieder befahrbar. Die am 11.03.1946 beginnende Demontage der Papierfabrik bedeutete auch das Aus für den Anschluss nach Kriebstein, sowie den Abbau zweier Gleise in Kriebethal. Auch die elektrifizierte Schmalspurbahn für den werksinternen Verkehr wurde vmtl. in dieser Zeit abgebaut. Die ihrer Gleise beraubte Eisenbahnbrücke in Kriebstein wurde künftig als Ersatz für die nicht wieder aufgebaute Straßenbrücke (1872 durch die Lauchhammer-Werke errichtet) genutzt. 1952 baute man die Gleise am Streckenende zurück. In den Jahren 1953/54 wurden die Anlagen zur Zellstoff- und Papierproduktion für den Neubeginn als VEB Papierfabrik Kriebstein wieder aufgebaut. Bekannt wurde später der Markenname "Kriepa" für Papiertaschentücher. Täglich vier Bedienungsfahrten verdeutlichen das hohe Güteraufkommen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit lag bei 20 km/h. Nach 1962 wurde in Rauschenthal das Ladegleis in Richtung Kriebethal unterbrochen und um 1977 abgebaut. Am 01.01.1973 wechselte die Strecke ab Rauschenthal in das Eigentum der Papierfabrik, ausgenommen die Zschopaubrücke. Die Ladestellen wurden zu Anschlussstellen degradiert und der obere Streckenabschnitt fortan als Gleis 20 des Bahnhofs Waldheim durch Rangierfahrten bedient. Die letzten Hochbauten der Station Kriebethal wurden um 1982 abgerissen. Am 02.07.1990 übernahmen die Alteigentümer wieder die Papierfabrik, konnten jedoch die Verlagerung der Transporte von der Bahn auf die Straße nicht aufhalten. Zuletzt erledigte einmal wöchentlich die 202 des Personenzuges Waldheim - Rochlitz in den Wendepausen die Bedienung der Anschlussbahn. Der letzte Kohletransport rollte am 06.06.1992 zum Kriebethaler Heizhaus; ab 1993 stellte ein erdgasbetriebenes Kraftwerk die Wärmeversorgung sicher. Anlässlich des hundertjährigen Streckenjubiläums fuhren am 23.03. und 08.09.1996 erstmalig VT-Garnituren über die Industriebahn nach Kriebethal. Zum 31.12.1998 kündigte die Deutsche Bahn AG den Anschlussbahnvertrag, womit der Streckenabschnitt ab Rauschenthal offiziell stillgelegt wurde. Trotzdem gelangte am 05.09.1999 nochmals ein VT zur 450-Jahrfeier des Ortes nach Kriebethal. Die im Juli 2003 noch angetroffenen Werkloks der "Kübler & Niethammer Papierfabrik Kriebstein AG" wurden für den werksinternen Verschub genutzt. Im Juli 2001 waren noch die Hektometersteine 9, 10, 13, 15, 16, 18, 21, 22, 24 und 25 auffindbar. Mit einem Erweiterungsbau der Papierfabrik und der erforderlichen Straßenverlegung wurden Anfang 2003 alle Gleisanlagen zwischen der Zschopaubrücke und dem Gleisende am km 3,421 abgebaut und die erst 1973 errichtete Gleiswaage abgerissen. Das Anfang 2005 gegen die Kübler & Niethammer AG eröffnete Insolvenzverfahren konnte 2007 abgewendet werden, so dass die industrielle Zukunft in Kriebstein gesichert scheint.
Im Jahr 2003 wurde die Strecke an die "IG Kleinbahn Waldheim-Kriebstein e.V." verkauft. Der Verein spurte die Strecke ab Frühjahr 2004 beginnend an der Kriebenauer Zschopaubrücke auf 600 mm um und führte mehrmals jährlich öffentliche Fahrten nach der BOP durch. Nach unzähligen Arbeitsstunden erreichte man mit dem Feldbahngleis im Oktober 2006 den vorläufigen Endpunkt an der Waldheimer Schillerhöhe; die Weiterführung in den ehemaligen Güterbahnhofsteil war angedacht. Dem Verein wurde im Juni 2010 die behördliche Genehmigung zur Personenbeförderung entzogen. Einige Querelen - so die Sperrung des öffentlichen Rad- und Wanderweges auf der Zschopaubrücke zum Jahresbeginn 2011 - beendeten unrühmlich die Vereinsarbeit und gipfelten letztlich in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Verein am 18.09.2013. Seit dem 14.12.2013 engagiert sich der neu gegründete Verein "Waldheimer Eisenbahnfreunde e.V." (ab 26.04.2019 "Rauschenthalbahn e.V.") für den Fortbestand der Feldbahn. Zu besonderen Anlässen werden öffentliche Fahrten durchgeführt. [1],[2],[3],[5],[6],[7],[8],[9],[10],[11],[12],[14],[15]
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Quellen
[1] Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden: Bestand 11228 Deutsche Reichsbahn, Rbd Dresden, Signaturen 5821, 12261
[2] Häupel: "Waldheim - Kriebethal" aus "Neben- und Schmalspurbahnen in Deutschland", Sammelwerk GeraNova-Verlag
[3] Autorenkollektiv: "150 Jahre Eisenbahnstrecke Riesa - Chemnitz", Dresden 2002
[4] "Eisenbahn-Journal Archiv (Sachsenreport)", Band 7
[5] "Eisenbahn-Journal", Heft 8+9/1996
[6] Krenkel: "100 Jahre Waldheim-Kriebethaler-Eisenbahn" in "Waldheimer Heimatblätter", Heft 5
[7] Krenkel: "100 Jahre Waldheim-Kriebethaler-Eisenbahn", Kriebstein 1996
[8] Kliem: "Einführung des vereinfachten Nebenbahndienstes auf der Strecke Waldheim - Kriebethal", Technikerarbeit 1966, (Akte I 84 im HStA Dresden)
[9] www.mittweida.de
[10] www.werkbahn.de
[11] www.k-n-paper.de
[12] www.rauschenthalbahn-ev
[13] "Dresdner Neueste Nachrichten" vom 19.08.2003
[14] "Glückauf", Hefte 01/1998 und 02/1998
[15] BILD Dresden vom 24.02.2005
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