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Eisenbahnen in Sachsen


Reinsdorfer Industriebahn | Citybahn Zwickau
Vorgeschichte und Bau

Der "Erzgebirgische Steinkohlen-Aktienverein" (ESTAV), gegründet am 03.02.1840, begann im März 1844 mit dem Abteufen seines zweiten Schachtes, der den Namen Hoffnungsschacht erhielt. Im Jahr 1849 stieß man bei 165 m auf das Kohleflöz. Kurz darauf ging auch der 450 m nordöstlich angelegte Vertrauenschacht in Betrieb.
Am 27.08.1854 erhielt der Hoffnungsschacht einen Gleisanschluss an die zu diesem Zeitpunkt im Bau befindliche Staatskohlenbahn aus Richtung Cainsdorf. Bis 1858 verlängerte man die Strecke zum Vertrauenschacht. Diese Anbindung an die Staatsbahn bestand bis 1872.
Zur planmäßigen Erschließung der Kohlevorkommen östlich der Mulde entstand am 28.10.1854 der "Zwickau-Oberhohndorfer Steinkohlenbau-Verein". Mit dem Abteufen des Wilhelmschachtes I wurde am 15.04.1857 begonnen, 1869/73 folgten die Schächte II und III. Zwei weitere Bergbaugesellschaften teuften 1855 bzw. 1859 den Augustus-, den Hermann und den Forstschacht ab.
Die am 10.05.1858 gegründete "A.G. Oberhohndorf-Reinsdorfer Kohleneisenbahn" erhielt am 30. Juni die Baugenehmigung, begann jedoch aufgrund eines Muldehochwassers erst im Juni 1859 mit dem Bau einer Zweigbahn zu den Kohleschächten bei Oberhohndorf und den geplanten Anlagen in Reinsdorf. Die Bauleitung führte der Oberingenieur Sorge von den Sächsischen Westlichen Staatseisenbahnen aus. Das vorgesehene Baukapital von 900 000 M konnte nicht vollständig durch die Interessenten aufgebracht werden, so dass man gezwungen war, eine Anleihe von 275 400 M aufzunehmen. Ein Hochwasser im August 1858 stoppte die Bautätigkeit, die erst im Juni des Folgejahres fortgesetzt wurde. In Schedewitz konnte über die Gleisanlagen des ESTAV der Anschluss an die Staatsbahn hergestellt werden, wofür ein Sammelbahnhof eingerichtet wurde. [1],[2],[3],[5],[9]

Betrieb

Der Güterverkehr wurde 1860 in Teilabschnitten aufgenommen: am 25.09. bis zum Forstschacht und am 12.11. bis zu den Reinsdorfer Sammelgleisen. Am 02.01.1862 ging die private Kohlenbahn bis Oberhohndorf vollständig in Betrieb. Die Baukosten betrugen 289 770 Taler. Zum Zeitpunkt der Eröffnung bestanden 13,754 km Gleisanlagen mit 64 Weichen. Die maximale Neigung mit 1:34,7 und der kleinste Radius, der bei 141,6 m lag, befanden sich jeweils im südlichen Streckenast bei Oberhohndorf. Für den Fahrbetrieb waren drei dreiachsige Tenderloks der Chemnitzer Maschinenfabrik Hartmann vorhanden.
Die Erweiterung des Stammgleises schritt zügig voran. Die Förderung in der Herrmannsgrube bei Oberhohndorf, dem südlichsten Punkt der Kohlenbahn, wurde nicht aufgenommen und das Gleis bereits um 1865 wieder abgebaut. Folgende Schachtanlagen mit ihren größten Teufen wurden bis 1875 angeschlossen:
     25.09.1860 - Forstschacht                 (304   m - Teufung 1858 - 1859)
     12.11.1860 - Hermannschacht               (460   m - Teufung 07.1855 - ?)
     12.11.1860 - Augustusschacht              (431   m - Teufung 07.1855 - ?) 	
     11.02.1862 - Wilhelmschacht I             (617   m - Teufung 15.04.1857 - 02.1862)
     15.10.1869 - Morgensternschacht I         (356,4 m - Teufung 02.05.1867 - 09.1869)
           1872 - Wilhelmschacht II            (399   m - Teufung 20.02.1869 - 01.1872)
           1875 - Morgensternschacht II        (612,8 m - Teufung 14.05.1872 - 19.03.1875)
           1875 - Florentin-Kästner-Schacht I  (545,5 m - Teufung 01.04.1868 - 1871)
           1875 - Florentin-Kästner-Schacht II (567   m - Teufung    10.1872 - 1875)
In den Jahren 1877/78 hatte die Oberhohndorf-Reinsdorfer Kohlenbahn mit einer Gleislänge von 16,694 km ihren größten Umfang erreicht. Das Gebiet zwischen Bockwa und Reinsdorf war vollständig durch die Eisenbahn erschlossen.
Zwischen 1880 und 1900 war durch erschöpfte Kohlevorkommen und Schließungen der zumeist kleinen Schachtanlagen der Gleisbestand rückläufig, insbesondere im südlichen Teil der Kohlenbahn, was auch der vermehrte Anschluss industrieller Unternehmen nicht aufhalten konnte. Eines dieser Unternehmen war die Porzellanmanufaktur von Friedrich Kästner, dem Sohn des Oberhohndorfer Schachtbesitzers Florentin Kästner. Am 19.01.1883 wurde die Firma in das Handelsregister der Stadt Zwickau eingetragen und am 8. Dezember des Jahres begann die Produktion.
Der Versuch der Kohlenbahnverwaltung, aus Rentabilitätsgründen die Brückenbergschächte zu einem Gleisanschluss zu bewegen, schlug aufgrund überhöhter Preisforderungen fehl. Als 1880 auch die rentablen Wilhelmschächte zur Bahnkonkurrenz wechseln wollten, änderte man die Preisgestaltung. Auch das Gleis zum Florentin-Kästner-Schacht II ging bereits 1882 bis auf ein Reststück von 120 m außer Betrieb.
Die Staatsbahnverwaltung vergab 1886 das Kürzel OR für die Kohlenbahn. Im Jahr 1905 waren noch 6,79 Streckenkilometer verblieben. Das 1872 für die Brückenbergkohlenbahn angelegte und 1,184 km lange Parallelgleis entlang der Hauptbahn zwischen Schedewitz und Zwickau Hbf wurde bis 1905 als drittes Streckengleis betrieben und dann der Oberhohndorf-Reinsdorfer Kohlenbahn zugerechnet. Der Morgensternschacht I stellte am 10.04.1909 die Förderung ein.
Im Jahr 1915 errichtete der ESTAV am Güterbahnhof Schedewitz umfangreiche Anlagen zur Steinkohleverwertung, darunter eine Kokerei, eine Ammoniak- und eine Benzolfabrik.
Zwischen 1927 und 1929 kam es im Zusammenhang mit dem Umbau des Zwickauer Hauptbahnhofes zur Hochlegung der SZ-Linie ab Schedewitz und Errichtung von Straßenbrücken, wobei das Kohlenbahngleis eine eigene Brücke über die Saarstraße erhielt. Zur Trennung des Personen- und Güterverkehrs der SZ-Linie entstand bis 1930 am km 0,24 ein Kreuzungsbauwerk für die geplanten Personenzuggleise. Der Krieg stoppte jedoch das Ausbauvorhaben. Geblieben sind die Bahndämme und Widerlager (das südliche wurde zwischenzeitlich eingeebnet) sowie die Verdrückung der Hauptbahn um etwa 50 m nach Südwesten.
Die zwei Gruben von Florentin Kästner gingen am 28.06.1930 durch Aufkauf an die "Gewerkschaft Morgenstern" über, die diese als Schächte VII und VIII bezeichnete. Am 31.07.1936 wurden aus den Wilhelmschächten die letzten Hunte Kohle gefördert und die Schachtanlagen bis 1938 verfüllt.
Das rückläufige Transportaufkommen bewog den Vorstand der Kohlenbahn zur Auflösung der Aktiengesellschaft zum 31.12.1939. Im Interesse der noch angeschlossenen Betriebe übernahm die Deutsche Reichsbahn die fortan als "Reinsdorfer Industriebahn" mit dem Kürzel RI bezeichnete Strecke und führte den Verkehr weiter. Ein 160 m langes Reststück des südlichen Streckenzweigs behielt man noch bis 1965 als Anschluss für den Kohlen- und Holzhandel Haugk bei. Die "Statistik der Eisenbahnen im Deutschen Reiche" des Jahres 1942 verzeichnet eine Eigentumslänge von 1,88 km - der Rest galt als Anschlussbahn. Zu Jahresbeginn 1944 wurde Oberhohndorf nach Zwickau eingemeindet.

Bis Februar 1956 fuhr man Kohle aus dem Martin-Hoop-Schacht VII ab. Nach dem Verfüllen des Schachtes 1957 wurde der Anschluss nicht mehr bedient. Am 05.11.1962 wurde das Befehlsstellwerk in Schedewitz in Betrieb genommen, das gegenüber dem Dienstgebäude lag.
Der mangelhafte Zustand des Oberbaus und der Muldebrücke veranlasste die Reichsbahn dazu, am 31.10.1965 die Bedienung der sechs verbliebenen Anschließer einzustellen. Den letzten Zug mit 89 293 begleiteten nur wenige Eisenbahnfreunde. Die Gleisanlagen wurden ab Herbst 1966 bis zum Güterbahnhof Schedewitz abgebaut, die Brückenbauwerke abgerissen. Den Anschluss am km 0,82 band man am Stellwerk W3 in die Brückenbergschachtbahn ein.
Am 01.10.1967 wurde der Güterbahnhof Schedewitz aus der Verwaltung der DR ausgegliedert und dem Steinkohlenwerk unterstellt. Im gleichen Zeitraum fand auch der Traktionswechsel auf der Reststrecke statt. Die Bedienung des "August-Bebel-Werkes" übernahmen Diesel- und Dampfspeicherlokomotiven, letztere für den Einsatz in der Kokerei. Am 18.03.1992 verließ der letzte Kokszug Schedewitz.
In den Jahren 1993/94 begann die ESTEG mbH mit dem Abriss der Anlagen und der Dekontaminierung des Geländes. Seit März 1998 befinden sich an der Stelle des Güterbahnhofs das "Glück-Auf-Center" und seit wenigen Jahren die Zwickauer Stadthalle.
Am 15.04.1998 war nach zweijähriger Planungszeit Baubeginn für ein bis dahin in Sachsen einmaliges Projekt: Unter Einbeziehung eines 1,536 km langen Streckenteiles der stillgelegten Reinsdorfer Industriebahn sollten die Dieseltriebwagen der "Vogtlandbahn" bis ins Zwickauer Stadtzentrum gelangen - über ein mit der 1000-mm-Straßenbahn gemeinsam genutztes Dreischienengleis. Dazu erhielten schon vorab einige Fahrzeuge des Typs "Regiosprinter II" eine Sonderausstattung nach BOStrab, z.B. Fahrtrichtungsanzeiger, Weichentransponder und Bremsleuchten. Der BÜ Planitzer Straße wurde mit einer modernen Schrankenanlage ausgerüstet (früher bestand hier der Po 10). Ab km 1,182 wird die Strecke zweigleisig geführt.
Die erste Probefahrt fand am 14.04.1999 statt. Am 28. Mai des Jahres starteten die Triebwagen offiziell zu ihrer ersten Fahrt von Zwickau Hbf über die ehemalige Kohlenbahnstrecke und einen 1,093 km langen dreischienigen Neubauabschnitt bis ins Stadtzentrum. Das Projekt zur "EXPO 2000" war nur finanzierbar, weil der Freistaat Sachsen einen Großteil der mit 89 Mio. Mark veranschlagten Baukosten übernahm. Das Gleis ab der Anschlussweiche A1 wurde in die Rechtsträgerschaft der Stadt Zwickau übergeben. Auf diesem ungewöhnlichen Weg blieb ein Teil der Oberhohndorf-Reinsdorfer Kohlenbahn erhalten. [1],[2],[3],[4],[5],[6],[7],[8],[10],[11]

Mediathek
Quellen

[1] v. Mayer: "Geschichte und Geographie der Deutschen Eisenbahnen"
[2] Peschke: "Der Zwickauer Steinkohlenbergbau und seine Kohlenbahnen", Zschiesche GmbH, Wilkau-Haßlau 2007
[3] Steinkohlenbergbauverein Zwickau: "Der Steinkohlenbergbau im Zwickauer Revier", Verlag Förster & Borries, Zwickau 2000
[4] Sorge: "Beschreibung der Anlage und des Betriebs der Zwickauer Kohleneisenbahnen", Zwickau 1861
[5] Schreyer: "Gestaltung und Entwicklung der betrieblichen Einrichtungen der Eisenbahn-Station Zwickau sowie der angrenzenden Kohleneisenbahnen ...", Chemnitz 1867
[6] Schwedler: "Bedienungsanweisung für die Anschlußbahn VHZ Schrott an der Strecke Zwickau (Sachs) Hbf - Zwickau-Schedewitz", Technikerarbeit 1965
[7] Weller: "Zum 100jährigen Jubiläum der Bockwaer und Oberhohndorf-Reinsdorfer Kohleneisenbahn" in "Pulsschlag", Heft 7/1961
[8] "Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen", Heft 14/1862
[9] "Zwickauer Tageblatt" vom 03.07.1937
[10] "Eisenbahn-Kurier", Hefte 1/1999 und 7/1999
[11] "Modelleisenbahner", Hefte 6/1999 und 8/1999
[12] Eckardt, May: "Die Entwicklung des Steinkohlenbergbaues im erzgebirgischen Becken", Verlag Förster & Borries, Zwickau 1938
[13] Peschke: "Zwickau - Bilderschätze aus Schedewitz, Bockwa, Oberhohndorf und der Südvorstadt", Sutton Verlag GmbH, Erfurt 2021