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Eisenbahnen in Sachsen


Königswalde (Erzgeb) ob Bf — Annaberg-Buchholz ob Bf
Vorgeschichte und Bau

Der Wunsch nach einem Bahnhof im oberen Teil der Bergstadt Annaberg wurde erstmals Anfang 1892 geäußert. Der sächsische Landtag lehnte jedoch eine schmalspurige Strecke Schönfeld - Annaberg - Bärenstein - Niederschlag ab. Im Dezember 1896 brachten die örtlichen Interessenten, besonders die auf billige böhmische Braunkohle angewiesene Industrie der Stadt, den Bau einer Regelspurbahn von Königswalde nach Annaberg ins Gespräch. Neben dem Wegfall von Transporten quer durch die Stadt sollten auch die Bahnhöfe im Tal entlastet werden. Es folgten mehrere durch Gutachten gestützte Petitionen, die im April 1900 endlich zum Erfolg führten: die neue Bahnlinie wurde bewilligt. Am 10.09.1901 begann der Dresdner Civilingenieur Pöge mit den Vermessungsarbeiten an der Trasse.
Mit dem Dekret Nr. 32 vom 12.03.1902 wurden Bau und Betrieb der Linie, die ausschließlich dem Güterverkehr dienen sollte, beschlossen. Die Stadt Annaberg beteiligte sich gemäß einem Stadtratsbeschluss vom 24.09.1903 zu einem Drittel an den veranschlagten Baukosten in Höhe von 537 800 M.
Für die Trassierung wählte man den Verlauf des früheren Oberen Floßgrabens, dem schon seit 1872 die Strecke Weipert - Annaberg zwischen Bärenstein und Königswalde folgte. Für das Verfüllen des Grabens und die Errichtung des Bahnkörpers konnten abgetragene Massen aus einem Einschnitt zwischen Cranzahl und Königswalde genutzt werden.
Die Arbeiten begannen am 05.12.1904 auf dem Gelände des künftigen Anschlussbahnhofs Königswalde und wurden bis Stat. 7+80 geführt. Im Juli 1905 nahm man dann den Hauptteil der Güterbahn in Angriff. Als einziges Brückenbauwerk entstand eine dreifeldrige Stahlträgerbrücke vor der Ladestelle Kleinrückerswalde. Königswalde - bis dato nur Haltepunkt - erhielt ein kleines massives Stationsgebäude in Klinkerbauweise und wurde auf drei Gleise erweitert. Die beiden Zwischenstationen wurden sparsam mit einem Wagenkasten ausgestattet, lediglich die Endstation erhielt ein kleines Beamtenwohnhaus. [1],[2],[3]

Betrieb und Stilllegung

Am 01.08.1906 konnte die Strecke mit der Kurzbezeichnung KA eröffnet werden. Der erste Zug mit drei Wagen Kohle traf 11.45 Uhr in der Ladestelle Annaberg ein, gelegen am Fuß des 832 m hohen Pöhlberges. Ab Mai 1913 wurde die Endstation der Strecke als Bahnhof geführt.
Angesichts eines respektablen Güteraufkommens im ersten Betriebsjahr griff man erneut das Projekt von 1892 auf und schlug die Fortsetzung der Bahn bis Schönfeld vor. Gegner dessen fanden sich allerdings nicht nur in Dresden, sondern auch in den Gemeinden des Pöhlbachtals, wo man seinerseits eine Bahnverbindung forderte. Letztere wurde später realisiert, die Fortführung der "oberen Bahn" über Annaberg hinaus blieb jedoch ein Wunsch.
Der stetig wachsende Güterverkehr führte dazu, dass am 01.06.1929 ein Güterschuppen mit Diensträumen im oberen Bahnhof eingeweiht wurde sowie Gleisanlagen und Personalbestand erweitert werden mussten.
Nur eine untergeordnete Rolle spielte der Personenverkehr auf der Strecke. Zwischen dem 25.07.1917 und 01.06.1921 wurde erstmals einem Güterzugpaar ein 3. Klasse-Wagen angehängt. Eine Kraftomnibuslinie beendete recht bald die Mitreisegelegenheit.
Im April 1925 erhielt ein neu errichtetes Werk der A.E.G. am km 5,085 einen eigenen Gleisanschluss - den einzigen auf freier Strecke. In der Folge beantragte das Arbeitsamt Annaberg am 02.09.1926 die Wiederaufnahme des Personenverkehrs zur Zuführung von Arbeitskräften. Die Bemühungen hatten Erfolg, denn am 14.03.1927 wurde der Werkspersonenverkehr bis zu einem neu errichteten Bahnsteig vor dem Fabrikgebäude in Annaberg aufgenommen. Dieser lag direkt an der Fabrikzufahrt und war aus Holz gezimmert, Hochbauten existierten keine. Über die Einstellung des Personenverkehrs ist nichts vermerkt, doch schnell übernahmen wieder Omnibuslinien die Vorherrschaft im Berufsverkehr. Planmäßigen Personenverkehr gab es letztmalig ab dem 03.07.1944 bis Kriegsende, um zwangsverpflichtete Arbeitskräfte aus Böhmen zu transportieren.

Nach dem Ende der Wismut-Zeit, die der Güterbahn Erzzüge mit ansehnlicher Tonnage bescherte, drohte in den sechziger Jahren die Stilllegung. Bereits 1955 wurden die Ladestellen geschlossen und deren Nebengleise abgebaut. Dieses Schicksal konnte für die Gesamtstrecke vorerst abgewendet werden, indem man den oberen Bahnhof zu einem zentralen Umschlagplatz für Kohlen im Kreis Annaberg-Buchholz umfunktionierte.
Das rückläufige Güteraufkommen zu Beginn der neunziger Jahre machte auch vor der "oberen Bahn" nicht halt: Am 30.12.1994 verkehrte der letzte planmäße Güterzug, symbolisch gezogen von 86 1001.
Abgesehen von anfänglichen Wismuttransporten und einigen Sonderzügen zum "Tag der Sachsen" im September 1994 gab es nach 1945 keine Personenbeförderung mehr. Die letzte Mitfahrgelegenheit auf der KA-Linie bot sich am 17.12.1994 in Form des N 5869, der mit 201 285 als "Abschiedszug" zwischen unterem und oberem Bahnhof verkehrte.
In ihrer Betriebszeit blieb die Güterbahn leider nicht von Unfällen verschont. Im schneereichen Winter 1941 starb ein Mädchen, das mit ihrem Bruder den Gleiskörper als Skiloipe nutzte. Die Kinder hatten nicht vermutet, dass sonntags Güterzüge verkehren würden.
Am 23.01.1972 entgleisten am km 4,72 sechs Güterwagen, von denen vier unglücklicherweise an der Kleinrückerswalder Brücke abstürzten. Die Wagen mussten vor Ort zerlegt werden; die Brückenüberbauten wurden erneuert und mit beidseitigen Laufstegen und Geländern versehen.

Die Einstellung der Streckenbedienung erfolgte offiziell am 01.05.1995 und zum 01.10.1996 wurde die dauernde Stilllegung verfügt. Die Sicherungsanlagen in Königswalde ob Bf gingen 1995 außer Betrieb und die Betriebsstelle wurde zum Haltepunkt herabgestuft. Zwischen dem 11. und 15.09.1995 demontierte man 400 m Gleis im ehemaligen AEG-Anschluss, die Verwendung beim Wiederaufbau der Preßnitztalbahn fanden. Im Herbst 1999 mussten alle Nebengleise in Königswalde weichen und der einstige Abzweigbahnhof wurde endgültig aufgelassen. Im Sommer 2000 baute man die Gleise im oberen Bahnhof von Annaberg-Buchholz ab. Die Strecke zwischen km 5,0 und dem Endbahnhof wurde im Frühjahr 2001 von der IG Preßnitztalbahn zurückgebaut. Das frühere Einfahrsignal aus Richtung oberem Bahnhof steht heute in Oberherold.
Spektakulär und angesichts der allgemeinen Finanzlage unrealistisch wirkte im Sommer 1999 eine Ankündigung der BVO Bahn GmbH, den Betrieb der "Fichtelbergbahn" künftig über die "obere Bahn" bis ins Stadtgebiet von Annaberg-Buchholz ausdehnen zu wollen. Zwischen Cranzahl und Königswalde wäre ein Dreischienengleis erforderlich gewesen, ab dort hätte man über eine Verbindungskurve die Trasse der KA-Linie erreicht und bis in Höhe des ehemaligen AEG-Haltepunktes genutzt. Realität hingegen ist, dass die Trasse nach dem Gleisrückbau schrittweise in einen Radweg umgebaut wurde, der aktuell von Cunersdorf bis nach Annaberg führt. [1],[2],[4]

Mediathek
Quellen

[1] Häupel: "Königswalde (Erzgeb) ob Bf - Annaberg-Buchholz ob Bf" aus "Neben- und Schmalspurbahnen in Deutschland", Sammelwerk GeraNova-Verlag
[2] Bergelt: "Eisenbahngeschichten zwischen Chemnitz und Weipert", Bildverlag Böttger, Witzschdorf 2002
[3] "Glückauf", Heft 07/1995
[4] Grund: "Königswalde (Erzgeb) ob. Bf. - Annaberg-Buchholz ob. Bf." in "PreßīKurier", Heft 01/2005