Frohburg — Kohren-Sahlis
Wyhratalbahn
Vorgeschichte und Bau
Beim Bau der Kieritzsch-Chemnitzer Eisenbahnstrecke blieb der Kleinstadt Kohren der Bahnanschluss zu Gunsten von Frohburg und Geithain versagt. Wenige Jahre nach der 1872 erfolgten Eröffnung der Strecke ersuchten die Stadtväter die Staatsregierung um den Bau einer Linie Frohburg - Kohren. Im November 1887 wurde in einer erneuten Petition der Anliegergemeinden die Linienführung Altenburg-Kohren-Narsdorf vorgeschlagen, abermals ohne Erfolg. Erst 1896 nahm das Projekt Gestalt an. Die sächsische Regierung bewilligte 58 000 M für die Erweiterung des Bahnhofs Frohburg. Die Interessenten der Strecke, darunter die Städte Frohburg und Kohren, wollten sich mit 34 800 M am Bau beteiligen. Man erwog anfangs sogar einen elektrischen Betrieb der Strecke. Im Etat 1897/98 wurden die veranschlagten Baukosten für eine regelspurige Zweigbahn nach Kohren berücksichtigt. Der Sahliser Rittergutsbesitzer Dr. Crusius erhielt am 10.05.1898 die Zusage zum Bahnbau.
Obwohl 1901 die Vorarbeiten eingeleitet wurden, zog sich das Bauvorhaben über mehrere Jahre hin. Die Grundrissaufnahme und Trassenabsteckung waren erst 1904 abgeschlossen und am 10.04.1905 begann die Fa. Gerstenberger & Döhler mit den Bauarbeiten in Frohburg. Vermutlich um Kosten für den Umbau der Bahnanlagen zu sparen, ließ man die Strecke am Bahnhofsvorplatz gegenüber des Güterschuppens beginnen. Am 4. Mai des Jahres fand der erste Spatenstich auf Kohrener Flur statt. Etwa 600 Arbeiter waren beim Bahnbau beschäftigt, darunter viele Italiener. Die eisernen Brückenüberbauten lieferte die Lauchhammer A.G., die Hochbauten wurden vom Baumeister Altmann aus Frohburg errichtet. Die massiven Brückenbauwerke wurden sparsam mit Bruchsteinen verziert und fügten sich gut in die Landschaft ein. Nach etwas über einem Jahr Bauzeit war die kurze und kurvenreiche Stichbahn ins Wyhratal fertiggestellt. Vom 19. bis zum 21.04.1906 fanden die Probebelastungen der eisernen Brückenüberbauten statt und am 26. April erfolgte die Abnahmefahrt. Das Städtchen Kohren hatte endlich seinen Bahnanschluss erhalten. Von der Einweihung der neuen Staatsbahnstrecke am 30.04.1906 berichtete das "Bornaer Tageblatt" später: »In voller Erkenntnis der Bevölkerung des Ereignisses waren für die Einweihung der Bahn festliche Vorbereitungen getroffen wurden. Die Städte Frohburg und Kohren hatten Flaggenschmuck angelegt und namentlich Kohren bot mit seiner idyllischen Lage einen freundlichen Anblick. Nach dem in der Frühe des Tages der Weckruf erklungen war, fuhr der erste Sonderzug vormittags 10 Uhr von Kohren nach Frohburg, um dort die Festteilnehmer aufzunehmen und nach Kohren zu befördern. [...] Nach dem Empfange in Frohburg bestieg man den aus fünf Wagen bestehenden Festzug, der mit frischen Maien und Flaggen in den grünweißen Landesfarben geschm&uumkl;ckt war. In der Mitte des Zuges war ein offener Güterwagen eingeschaltet, von dem aus die Frohburger Stadtkapelle muntere Weisen erklingen ließ. Zehn Minuten vor 11 Uhr erfolgte das Zeichen zur Abfahrt und der Zug von der Lokomotive "Borsig" geführt, setzte sich in Bewegung. [...]« Der auf den Stationen mit Jubel begrüßte Eröffnungszug traf nach halbstündiger Fahrt 11.21 Uhr in Kohren ein. Mit einem Festmahl im Gasthof Heinich und abendlichem Feuerwerk klangen die Feierlichkeiten aus. Am Tag darauf begann der planmäßige Betrieb auf der Wyhratalbahn. [1],[2],[3],[4]
Betrieb und Stilllegung
Bis zur Einweihung des Empfangsgebäudes in Kohren musste ein einstöckiger Anbau am Güterschuppen genügen - des Endbahnhofs einer Kleinstadt eher unwürdig. Während des Neubaus diente eine ausgemusterte Wartehalle der Station Oetzsch (später Markkleeberg) als provisorisches Dienstgebäude. Die Strecke hatte in den folgenden Jahrzehnten einen ansehnlichen Personen- und Güterverkehr aufzuweisen. Werktags nutzten die Beschäftigten der Kohle- und Chemieindustrie zwischen Borna und Leipzig die Züge, an den Wochenenden traf man sich zum Ausflug mit der Bimmelbahn in den Streitwald oder zur Burgruine Gnandstein. Die in Wolftitz Jägerhaus erbaute Wartehalle mit Pultdach und seitlichem Zugang wurde einige Jahre später durch den heute noch vorhandenen Bau ersetzt. Die Kohrener BHG sorgte für ein stetiges Güteraufkommen. Um 1916 verlägerte man den Lokschuppen. Die zwei Streckenanschlüsse zu Steinbruchbetrieben wurden schon frühzeitig wieder eingestellt. Ebenso baute man im Mai 1918 das Ladegleis in Frohburg Ost zur Gewinnung von Oberbaustoffen wieder ab. In den 1930er Jahren änderten sich einige Stationsnamen: Wolftitz wurde "germanisiert" und Kohren mit Sahlis vereinigt. Seit dem 01.10.1934 gehörte die FK-Linie zur RBD Halle.
Das einzige Wärterwohnhaus der Strecke in Streitwald brannte Mitte April 1945 nach einem amerikanischen Tieffliegerangriff aus. Bis Ende Juni 1945 war das Gebiet amerikanisch besetzt und der Zugverkehr auf der Strecke vorübergehend eingestellt. Erstmalig nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1957/58 eine dringend erforderliche Oberbausanierung zwischen Streitwald und Kohren-Sahlis statt. Doch Mitte der 1960er Jahre war der Zustand des Streckengleises bereits wieder so schlecht, dass die zulässige Geschwindigkeit auf 10 km/h herabgesetzt werden musste. Fehlende Gleisbaukapazitäten zwangen die Eisenbahner vor Ort zur Selbsthilfe. So erneuerte man Schienenstöße und Schwellen in Eigenregie, um den Fahrbetrieb aufrecht erhalten zu können. Die überraschende Einstellung der Strecke erfolgte am 27.05.1967. An diesem Tag zog 92 6481 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die letzten Personenzüge durch die Kohrener Schweiz. Zwei Tage zuvor berichtete die "Leipziger Volkszeitung": »In einer gemeinsamen Beratung am 22. Mai 1967 mit den zuständigen staatlichen und örtlichen Organen der Deutschen Reichsbahn und dem VEB Kraftverkehr Altenburg wurden die vorgesehene Strecke besichtigt und entsprechende Maßnahmen festgelegt. Ausgehend von der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit ist ein nochmaliger Ausbau der Strecke Frohburg - Kohren-Sahlis aus ökonomischen Gründen und im Interesse der Sicherheit der Fahrgäste nicht vertretbar. Deshalb macht sich der kurzfristige Schienenersatzverkehr notwendig. [...]« Der Rückbau der entbehrlich gewordenen Gleisanlagen begann am 8. August des Jahres und währte bis 1972. Den Güterverkehr hielten V 15 noch bis Ende 1967 aufrecht, dann hatte Kohren seinen Bahnanschluss wieder verloren. Der Prellbock stand zuletzt am km 1,202 des als Anschlussgleis genutzten Streckenrestes in Frohburg. Seit 1997 lagen in der gepflasterten Ladestraße und rund um den Lokschuppen wieder Gleise. Der am 11.01.1995 gegründete Verein "Freunde der Kohrener Eisenbahn e.V." hatte sich die Bewahrung der Kohrener Eisenbahngeschichte zum Ziel gesetzt. Auf 250 Metern Gleis fand - dank der Unterstützung örtlicher Sponsoren - zu besonderen Anlässen ein Museumsbetrieb mit eigenen Fahrzeugen statt. Der Wiederaufbau der Strecke bis Streitwald war der große Wunsch für die Zukunft. Leider mussten im Jahr 2006 die Pläne aufgrund rechtlicher und wirtschaftlicher Schwierigkeiten begraben werden. Die Fahrzeugsammlung wurde notgedrungen verkauft, der nunmehr zweite Rückbau der Gleisanlagen in Kohren-Sahlis scheint der Schlussstrich unter 100 Jahre Eisenbahngeschichte zu sein ... [1],[2],[3],[4]
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Quellen
[1] Gräfe: "Mit der Bimmel in die Kohrener Schweiz" in "Eisenbahn-Journal", Heft 10/2002
[2] www.streitwald.keepfree.de
[3] Kluttig: "Schienenverbindungen zwischen Chemnitz und Leipzig", Bildverlag Böttger, Witzschdorf 2006
[4] Berger, Wunderlich: "Die Eisenbahnstrecke Frohburg - Kohren-Sahlis", Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde e.V., Schwarzenberg 2006
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