Sächsische Streckenkürzel
Im Jahr 1870 erhielten alle betriebenen und im Bau befindlichen Staatseisenbahnstrecken "Typenbezeichnungen" sowie definierte Anfangs- und Endpunkte zugewiesen.
Vermutlich wurden in den Folgejahren weitere Buchstabenbezeichnungen vergeben, die zunächst nur bahnintern, beispielsweise in Bauakten zum Einsatz kamen. Ab 1880 wurden alle staatlichen Eisenbahnstrecken in Sachsen offiziell mit bahnamtlichen Kurzbezeichnungen versehen. Nach und nach ersetzten diese die bisher üblichen Streckenbezeichnungen, z.B. "Sächsisch-Böhmische Eisenbahn" oder "Obererzgebirgische Staatsbahn". Mit der Betriebsübernahme von Strecken privater Eisenbahngesellschaften oder anderer Eisenbahnverwaltungen erhielten auch diese eine passende Kurzbezeichnung zugeordnet. Streckenprojekte erhielten ebenfalls Kürzel zugewiesen, allerdings nur in den Bauakten.
Das Kürzel wurde in der Regel aus den Anfangsbuchstaben der Endbahnhöfe in Richtung der Streckenkilometrierung gebildet. Schon bei den frühen Staatsbahnstrecken waren diese Kombinationen nicht ausreichend und wurden teils durch einen dritten Buchstaben ergänzt. Zur Unterscheidung der einzelnen Linien des stetig wachsenden Streckennetzes entstand eine gewisse Systematik:
a) Grundtyp Anfangsbahnhof - Endbahnhof BD, GW, LD, NM, RP, WA, ...
b) Unterscheidung bei gleichen Anfangsbuchstaben AAd, EEo, GGa, KKk, RRg, SSz, ...
c) Unterscheidung bei gleichen Kürzeln BG - BGh - BGr, FK - FaK, HK - HbK, PG - PGc - PGl, WC - WbC - WCd, ...
d) Bezeichung von Verbindungsbahnen GDV, GWV, LHV, ORV, PHV, RRV, ...
e) Bezeichnung von Verbindungsbögen DWC, GWzC, LDC, RCC, WMC, ZCC, ...
f) Bezeichnung von Hafen- und Kohlenbahnen DEH, DWK, OeK, RCK, SZK, ...
g) Bezeichnung von Industrie- und Anschlussbahnen BDE, BKP, DWIR, GHW, LX, PNoA, ...
h) Unterscheidung des Fahrtweges GHS, LMG, MWE, RMG, ZCM, ...
i) Bahnhofsnamen als Doppelnamen DFN, DKG, KKN, LLP, LPC, SOA, ...
Bei zweigleisigen Strecken wurde durch Vertauschen der Buchstaben das Richtungsgleis gekennzeichnet, z.B. Gleis D-W und Gleis W-D, üblich waren auch die Zusätze "bahnrechts" und "bahnlinks". Bei mehrgleisigen Bahnanlagen wurde zudem in Vorort-, Fernbahn- und Güterzuggleise unterschieden. Seit Einführung der Kürzel änderten sich diese teils mehrmals durch Streckenerweiterungen oder Bahnhofsumbenennungen. Nicht mehr benötigte Buchstabenkombinationen wurden neu an andere Strecken vergeben (z.B. KR, LHV, PH).
Die Reichsbahndirektion Dresden übernahm diese Verfahrensweise und setzte sie bis 1941 fort, beispielsweise für Streckenneubauten und bei Änderungen der Rbd-Grenze. Auch wenn die Streckenkürzel aus den amtlichen Dokumenten verschwanden, blieben sie im Sprachgebrauch der Eisenbahner erhalten. Aus betrieblichen Gründen neu eingeführte Streckenbezeichnungen der jüngeren Zeit waren oft unbeliebt/unbekannt: wohl kein Eisenbahner sprach von der Strecke KB (= Karl-Marx-Stadt - Blauenthal), wenn er den nach dem Talsperrenbau bei Eibenstock verbliebenen nördlichen Abschnitt der alten sächsischen CA-Linie meinte. Da der amtliche Charakter der Kurzbezeichnungen verloren gegangen war, entstanden teils exotische Varianten, die ihren Weg auch in offizielle Pläne und Tabellen gefunden haben. Die Kurzbezeichnungen werden in Ergänzung zur Streckennummer noch heute bahnintern verwendet.
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